Gamification, AR und das Metaverse: Revolutionen im Spielerlebnis – Ein Expertengespräch mit Sofia Schöbel

Sofia Schöbel ist Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität Osnabrück und Kassel. Sie brennt für Themen wie Digitales Lernen, Gamification, Interaktion, die Gestaltung von smarten Assistenten und Collaboration Engineering.

Nach ihrem Bachelor und Master-Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Technischen Universität in Dortmund, hat Sofia an der Universität Kassel im Fachgebiet Wirtschaftsinformatik promoviert und zahlreiche Publikationen veröffentlicht.

Wir haben mit Sofia über Gamification, Augmented Reality und das Metaverse, sowie den Einsatz des digitalen Lernassistenten Micromate im Rahmen ihrer Vorlesung gesprochen.

Gamification: Die Kunst des Spielens für besseres Engagement

Micromate: Liebe Sofia, danke dass du an unserem Interview teilnimmst. Eines deiner Fachgebiete ist Gamification. Was bedeutet Gamification für dich und warum fasziniert dich Gamification?

Sofia: Gamification stellt die spielbasierte Gestaltung und Auflockerung von eher tristen und langweiligen Tätigkeiten und gleichzeitig das Lenken von Aufmerksamkeit auf wesentliche Aspekten dar. Für mich ist dieser Bereich so spannend, da wir mit Hilfe von Gamification diese trist und langweilig erscheinenden Prozesse spannender und abwechslungsreicher gestalten können.

Was ist Gamification?
Bei dem Konzept von Gamification geht es darum, typische aus der Spielwelt entnommene Elemente in einen nicht spielerischen Kontext und Umgebung zu transferieren. Die Elemente reichen von Auszeichnungen über Ranglisten, Belohnungen bis hin zu Fortschrittsbalken. Gamification verfolgt das Ziel, Anwender:innen und deren Verhalten zu beeinflussen, indem ihre Motivation und ihr Engagement gesteigert wird. In diesem Beitrag findest du eine ausführliche Erklärung des Konzepts und praxisnahe Beispiele.

Micromate: Gamification zeichnet sich also durch spielerische Ansätze aus. Spielen wird häufig mit Kindern assoziiert – funktioniert Gamification auch bei Erwachsenen?

Sofia: Natürlich. Spielen ist etwas, was jedem von uns gefällt und leicht fällt. Wir kennen das Spielen aus der Kindheit und verbinden entsprechend positive Emotionen damit.

Micromate: Das stimmt. Ich gehe davon aus, dass es zu Gamification sicherlich noch weitere Mythen gibt. Was sind aus deiner Sicht vorhandene Missverständnisse zu Gamification?

Sofia: Viele haben eine gewisse Erwartungshaltung an das Konzept Gamification und stellen sich die Einführung, den Einsatz und die Umsetzung sehr einfach vor.

  • Missverständnis 1: Verantwortliche denken sich: “Ich arbeite ein paar Punkte ab und gehe davon aus, dass Gamification gut funktioniert” So einfach ist Gamification nicht.
    Gamification ist ein stark gestaltungsorientiertes Thema. Das bedeutet, dass man sich intensiv mit dem Kontext und der Zielgruppe auseinandersetzen muss.
    Gamification bedarf viel Vorarbeit und genaue Überlegungen, wie das Konzept wirklich gestaltet werden kann, sodass es Anwender:innen nachhaltig motiviert und zu einer Veränderung in ihrem Verhalten führt.
  • Missverständnis 2: Es wird davon ausgegangen, dass Effekte auf den Lernerfolg direkt nachgewiesen werden können.Gamification und dessen gezielter Einsatz erfordert Vorarbeit und Geduld nach der Einführung. Nur wenn sich vorab intensiv mit dem Kontext und der Zielgruppe auseinandergesetzt wurde, werden sich auch Effekte im Lernerfolg zeigen.

Micromate: Wenn wir an technologische Entwicklungen denken und daran, wie sich Gamification verändert hat – wie haben sich Technologien, insbesondere Augmented Reality, auf die Entwicklung von Gamification ausgewirkt?

Sofia: Die Technologien führen zu Fragestellungen, wie bestimmte Prozesse und Aktivitäten digitaler gestaltet und verändert werden können. Derzeit bekommen Themen wie Augmented Reality wieder einen sehr starken Aufschwung. Zudem stösst auch das Thema Metaverse erneute Diskussionen an.

Augmented Reality Augmented Reality (AR) kann auch als erweiterte Realität bezeichnet werden. Bei dem Konzept wird die Realität durch computergestützte, dreidimensionale Elemente in Echtzeit erweitert. Benutzende befinden sich weiterhin in der gewohnten Umgebung, welche jedoch um fiktive Elemente erweitert ist. Über technische Hilfsmittel (Tablet, Smartphone, Brille) werden die virtuellen Zusatzelemente eingeblendet.

Metaverse Bei dem Begriff Metaverse, auch Metaversum genannt, handelt es sich um einen Sammelbegriff für dreidimensionale und digitale Erlebniswelten. In diesen virtuellen Welten können Menschen zusammenkommen und interagieren. In der Vision soll in Form des Metaversum ein virtuelles Ökosystem aufgebaut werden, welches die Notwendigkeit in der realen Welt zu agieren durch Interaktionen im Metaverse ersetzen.

Die Technologischen Entwicklungen nehmen auch Einfluss auf Gamification und transferieren die Ansätze in diese Welten, führen jedoch auch zu neuen Herausforderungen und einem neuen Blickwinkel. Bisher wurden Elemente aus den Spielen herausgenommen, jetzt geht es vermehrt wieder in die Richtung, gezielt in die Spielwelten einzutauchen. Dies wird auch zu Diskussionen führen, wie Motivation erlangt werden kann, denn durch die gesteigerten Erwartungen und veränderten Einflüsse der Anwender:innen werden sich klassische Gamification-Konzepte, wie Badges oder Punkte, sich müssen.

Ein bekanntes Beispiel ist PokemonGo. PokemonGo hat gezeigt, was ein gutes und simples Konzept auslöst und welche Dynamik sich daraus entwickeln kann.

Pokémon Go: Pokémon GO – Eine App, die innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Menschen in ihren Bann gezogen hat. Einer der Hauptgründe dafür ist die allgemeine Bekanntheit der Pokémon-Marke. Doch das dazugehörige Spiel, das mit Pokémon GO als App direkt auf dem Smartphone der Nutzer installiert wird, hat Massen begeistert. Nach dem Herunterladen der App wird über GPS auf den aktuellen Standort zugegriffen und die Spieler in die Spielwelt versetzt. Mithilfe der Smartphone-Kamera werden Pokémon in der realen Welt eingeblendet, die von den Spielerinnen und Spielern eingefangen werden müssen. Pokémon überträgt das Spiel in die reale Umgebung, wodurch die Teilnehmer gezwungen sind, sich in der wirklichen Welt zu bewegen, um am Spiel teilzunehmen. Mehr dazu erfährst du hier.

Micromate: Welche Ratschläge würdest du Organisationen geben, die darüber nachdenken, AR, Chatbots und Gamification in ihr Lern-/Bildungsangebot zu integrieren?

  • Sofias Tipp Nr.1: Lernen, egal in welchem Kontext, ist extrem wichtig. In Organisationen muss herausgefunden werden, wo dynamische Bereiche sind, wo regelmässig etwas gelernt werden muss und wo Hilfe benötigt wird. Ich rate, mit Nutzenden zu sprechen und den Kontext sehr genau zu analysieren, denn vor allem im Corporate Learning ist die Anpassung an die Zielgruppe entscheidend.
  • Sofias Tipp Nr.2: Es ist wichtig, Ängste beim Einsatz von neuen Technologien zu nehmen. Dafür sollte das Management die Wichtigkeit und die Bedeutung im Team kommunizieren.
  • Sofias Tipp Nr. 3: Die Technologien sollten als Hilfe gesehen werden. Wenn ein Bot eine gewisse Wissensbasis besitzt, sollte und kann dieser zur Unterstützung im Unternehmensalltag dienen und beispielsweise Mitarbeitenden helfen auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

“Ich rate mit Nutzenden und potentiellen Nutzenden zu sprechen und den Kontext sehr genau zu analysieren. Vorallem im Corporate Learning gilt hier die Anpassung an die Zielgruppe.”Prof. Dr. Sofia Schöbel

Micromate: Welche Vorteile resultieren daraus? Wie können Augmented Reality und Virtual Reality dazu beitragen, das Lernen interaktiver und ansprechender zu gestalten?

Sofia: Heute ist es extrem wichtig, zeit- und ortsunabhängig lernen zu können und freie Zeiträume sinnvoll zu nutzen. Das ermöglichen die heutigen Technologien wie Smartphone und Co. bereits. Die neuen Technologien bieten weitere Vorteile:

  • Vorteil 1: Umgebungen ermöglichen es Barrieren zu überwinden. Geographische Barrieren können durch virtuelle Welten gelöst werden. Zudem ermöglichen virtuelle Welten eine gute Zusammenarbeit aus technischer Sicht. In einer Produktion kann virtuell gemeinsam an einer Maschine gearbeitet werden und Probleme virtuell gelöst werden.
  • Vorteil 2: Die virtuellen Umgebungen und die Interaktionen darin ermöglichen Gestik und Mimik anders zu interpretieren als beispielsweise in einem Video-Call mit ausgeschalteter Kamera.
  • Vorteil 3: Es resultiert ein verändertes Erlebnis und neue Arten des Lernen können hervorgehen. Obwohl der physische Aufenthaltsort beispielsweise die eigenen 4-Wände darstellt, kann eine Zusammenarbeiten wie in der realen Welt stattfinden.
  • Vorteil 4: Die Umgebungen können Bedingungen wie in der realen Welt schaffen: die Stimmung, das Lachen, der Austausch: man hat das Gefühl, im selben Raum zu sein.

Micromate: Wie können Technologie wie AR und Chatbots dazu beitragen, Lernende stärker in den Lernprozess einzubinden und personalisierte Lernerfahrungen zu schaffen?

  • Zum einen können sie dafür sorgen, das wir nicht mehr so viel prokrastinieren. Sie überbrücken Barrieren, sich hinsetzen zu müssen Skripte oder Unterlagen durchzuarbeiten und mindern dadurch das Start-Problem.
  • Die Technologien passen gut in den Lernprozess und unterstützen selbstgesteuerte Lernphasen optimal. Sie helfen erlerntes zu vertiefen.
  • Die Individualisierung ist dabei ein wichtiger Punkt. trägt dazu bei, dass anstelle von Standard-Konversationen individuelle Dialoge stattfinden.

“Meine Studierenden haben Spass an den interaktiven Dialogen und es vereinfacht ihnen das Lernen.”Prof. Dr. Sofia Schöbel

Sofia Schöbel hat Micromate im Rahmen der Vorlesung IT-Projektmanagement an der Universität Osnabrück eingesetzt. Über das Semester wurden Fragen der Dozierenden sowie der Studierenden, nach jeder Lerneinheit ergänzt. So hatten Studierende die Möglichkeit nach der Vorlesung das erlernte zu verfestigen und bis zur Klausur zu repetieren. Im Laufe des Semesters haben die Studierenden mehr als 24.000 Fragen mit Micromate beantwortet und die Prüfungsergebnisse haben gezeigt: Studierende die sich mit Micromate vorbereitet hatten, haben bessere Prüfungsergebnisse erzielt als jene die nicht mit Micromate gelernt haben.

Micromate: AR/VR und das Metaverse bringen viel Potential für neue Ansätze. Glaubst du, dass das Metaverse eine neue Dimension für Gamification im Bildungsbereich eröffnet, und wenn ja, welche?

Sofia: Ich glaube ja, jedoch muss noch viel passieren. Meiner Meinung nach, regt das Thema dazu an, dass verschiedene Aktivitäten sich immersiver und digitaler gestalten werden. In vielen Bereichen funktioniert es bereits sehr gut und die virtuellen Welten bieten eine hohe Vernetzung. Die Vernetzung wird sich in Zukunft noch intensivieren, sodass ich leichter arbeiten und lernen kann. Welche Dimensionen für Gamification daraus resultieren, ist aktuell noch schwer zu testen, da die Umgebungen dafür noch nicht existieren.”

Micromate: Du bist bereits auf erste Herausforderungen eingegangen: Welche Herausforderungen und Barrieren gibt es bei der Integration von AR und Chatbots in Bildungsprogramme, und wie können sie überwunden werden?

Micromate: Neben einem neuen Verständnis davon, was Lernende motiviert und engagiert, gehen die Technologien mit weiteren Herausforderungen einher.

  • Der Aufenthalt in einer virtuellen Umgebung mit einer Brille ist deutlich anstrengender als die Interaktion in der realen Welt. Hier braucht es neue Mechanismen, beispielsweise ein Umdenken wofür Belohnungen oder Unterstützung eingesetzt werden muss. Es bedarf hierbei beispielsweise bei Bedarf die Belohnung von Lernenden, wenn sie das Gerät verlassen oder sich in der rellen Welt bewegen.
  • Wir werden weiterhin mit dem Thema Datenschutz konfrontiert sein, da die Umgebungen zunehmend Daten kombinieren und interpretieren.
  • Menschen werden davon überzeugt werden müssen, sich vermehrt in den virtuellen Umgebungen aufzuhalten. Für sie muss sich deren Relevanz klar herausstellen.
  • Zudem muss eine kritische Masse erreicht und bestimmte Generationen abgeholt werden. Die jüngeren Generationen werden offener sein gegenüber den Technologien, jedoch dürfen die älteren Generationen nicht gezielt, gerade im Lernen, exkludiert werden. Dafür muss Vertrauen in die Anwendung geschaffen werden.

“Vertrauen schaffen sehe ich als ein extrem wichtiger Punkt. Dies funktioniert sehr gut bei Micromate. Der Bot funktioniert gut und läuft zuverlässig. Dadurch schaffen wir Vertrauen. Regelbassiertes, stumpfes antworten und interagieren funktionieren hier nicht. Als Ergebnis erfordert dies viel Entwicklungsarbeit und Kompetenzen, denn für das Umsetzen und Verstetigen werden viele menschlichen Kompetenzen benötigen.”Prof. Dr. Sofia Schöbel

Micromate: Du bist bereits auf erste Herausforderungen eingegangen: Welche Herausforderungen und Barrieren gibt es bei der Integration von AR und Chatbots in Bildungsprogramme, und wie können sie überwunden werden?

Sofia: Eine sehr grosse Rolle. Wir haben es oft mit statischen Konzepten, wie Punktesystemen, zu tun,. Ich glaube, dass KI in diesem Bereich sehr viel bewegen kann.”

  • KI kann helfen herauszufinden, wie die Motivation der Lernenden ist, wie sich Lernende gerade fühlen, ob das Konzept wirklich wirkt und folglich individuell und situativ auf die Lernenden und deren Verhalten, ihre Umgebung und die Situation eingehen.
  • Die Informationen können sehr viel einfacher genutzt werden, um ein besseres Erlebnis zu gewährleisten und eine bessere Motivationsgrundlage zu schaffen.
  • Auch in virtuellen Umgebungen kann KI eingesetzt werden um beispielsweise Gestik oder Herzschläge zu analysieren, um auf die einzelnen Lernende einzugehen und sich an deren individuelle Situation anzupassen.

Micromate: Wir danken dir, liebe Sofia, für das spannende Interview. Vielen Dank auch für dein Vertrauen und den Einsatz von Micromate im Rahmen der Vorlesungen zum IT-Projektmanagement.

Micromate, der digitale Lernassistent, bietet eine E-Learning-Umgebung, welche die Möglichkeit bietet Mitarbeitende oder Studierende effizient auszubilden. Informiere dich auf dieser Webseite um mehr über Micromate zu erfahren oder kontaktiere uns für einen unverbindlichen Austausch.